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  • Philippe Vallat

Digitalisierung und magisches Denken

Aktualisiert: 31. Jan. 2022

Es gibt keine digitale Welt losgelöst von der «analogen», realen, materiellen Welt!


"Die Diskussion um die Schattenseiten der Digitalisierung ist aus meiner Sicht müssig. Natürlich kann man darüber nachdenken, wie die Digitalisierung uns verändert und wer möglicherweise zu den Digitalisierungsverlierern zählt. Diese Diskussion darf aber nicht in einer Verweigerungshaltung münden. Die Digitalisierung ist eine Tatsache – wir müssen akzeptieren, dass die digitale Transformation stattfindet, Schattenseiten hin oder her. Wenn wir uns auf die Schattenseiten dieser Entwicklung konzentrieren, sind wir blind für die zahlreichen Chancen und Potentiale." NR Ruedi Noser (Interview vom 22.9.17).


Die physische Realität der Digitalisierung geht einfach vergessen, und darum soll man auf die Schattenseiten unbedingt eingehen: ich möchte die Machbarkeit und die Wünschbarkeit der Digitalisierung kritisch hinterfragen.


Welche materielle Infrastruktur brauchen wir, um digitalisieren zu können? Wir brauchen Rohstoffe und Energie, sowohl für den Aufbau wie auch für den Betrieb und den Unterhalt der Infrastruktur, die für die Digitalisierung notwendig sind. Die kritische Frage in der realen Welt lautet wie folgt:


Können wir GLEICHZEITIG:

Digitalisieren

UND

Gegen den Klimawandel wirken

UND

Die Energiewende sicherstellen

UND

Sicherheit und Wohlstand in Europa (egoistisch gesehen) oder weltweit sicherstellen?


Um die Frage zu beantworten, soll man folgende Schlüsselfaktoren berücksichtigen:

  • Energieverfügbarkeit wird sich fortlaufend, quantitativ und qualitativ, reduzieren: erneuerbaren Energien werden nicht, auch nicht mittelfristig, die fossilen Energie 1:1 ersetzen können.

  • Klimawandel ist eng gekoppelt mit der oben erwähnten Energiefrage, hat schon begonnen. Es gibt heute keinen Wissenschaftler der behauptet, dass das eine Chance für die Menschheit ist. Die Folgen werden sich sehr wahrscheinlich in den nächsten Jahren und nicht Jahrzehnten in hohem Tempo und massiv auf Landwirtschaft, Gesundheit, Ernährung und damit auf Wirtschaft, Finanzen und Politik auswirken.

  • Die für den Energiewandel notwendigen Rohstoffe, insbesondere Lithium und Cobalt, wie auch Sand, sind Mangelware. Ach, und wir werden auch nicht auf den Mars fliegen, um dort diese Rohstoffe abzubauen.

Hier geht es nicht einmal um die Systemdynamik, wie sie seit den 1970’ Jahren im Bericht "The Limits to Growth" vom MIT (für den Club von Rom), beschrieben worden ist.


Wenn man eine seriöse SWOT- und Kontextanalyse durchführt, wie die strategische Lehre das vorschreibt, kann man gegenüber diesen Fakten nicht blind sein…


Ist somit die Digitalisierung noch sinnvoll? Wer will sie? Hat sie eine Chance, und wie lange? Wollen wir wirklich so viel in sie investieren, wenn wir heute schon wissen, dass es höchst wahrscheinlich nicht nachhaltig sein kann: wir werden nicht nur mangelnder politischer oder gesellschaftlicher Akzeptanz begegnen, wir werden nicht nur die Schwierigkeit der Finanzierung erleben, wir werden vor allem gegen die physikalischen Grenzen unserer begrenzten Welt stossen. Ob man es will oder nicht, ob man dafür ist oder nicht, ob man daran glaubt oder nicht, die Zeiten als der Mensch arrogant genug war, um zu glauben und zu behaupten, dass er die Natur "beherrschen" kann sind vorbei. Die Zitrone ist ausgepresst. Naturgesetzte sind stärker.


Die "Lösung" wird keine hochtechnische, ressourcenfressende, sonderabfallproduzierende, Technologie sein. Mehr vom Gleichen, ein bisschen "besser", "digitaler", "grüner", führt uns sicher nicht in die vernünftige Richtung, die die Menschheit braucht, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen.


Was künftig auf uns zukommt ist nicht Wachstum, ist auch nicht eine bessere Welt. Die Naturgesetze zeigen uns, dass nach positivem Wachstum, negatives Wachstum folgt, so wie ein Waldbrand den Wald nach Jahrzehnten regeneriert. Wir wissen, dass die Zeit knapp wird, dass sich der Regenerierungsmechanismus schon von selbst in Gang gesetzt hat. Wollen wir aktiv etwas dazu beisteuern, oder wollen wir, mit "business as usual", einfach abwarten? Dies ist für mich die dringende, überlebensrelevante, politische und gesellschaftliche Frage. Dafür braucht es den Mut, sich von den Dogmen der Vergangenheit und von alten Denkmustern zu lösen und sich mit der realen Welt wie sie tatsächlich ist und funktioniert auseinanderzusetzen.


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