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Komplexität – ein Unwort im Projekt-management?

Das Wort "Komplexität" ist modisch, tönt high class, wird assoziiert mit Herausforderung und Wichtigkeit, tönt geheimnisvoll und löst etwas wie Respekt und Bewunderung aus. Wird es aber richtig verstanden?

Unwort oder Fachbegriff?

Der Begriff wird einfach missverstanden und somit auch falsch eingesetzt. Eigentlich wird oft zwischen komplex und kompliziert verwechselt. Die Welt des traditionellen Projektmanagements, vor allem geprägt von den Ingenieurwissenschaften, kennt (ausser in der IT-Branche) hauptsächlich die Logik des Komplizierten, nämlich dass jedes Problem, egal wie kompliziert es ist, durch Zerlegung in Subeinheiten lösbar ist. Solange ein Problem mit linearem Aufwand zu bewältigen ist, ist es aber nur kompliziert, oder hyper-kompliziert. So können Situationen hochkompliziert sein, aber nicht unbedingt komplex, und umgekehrt können komplexe Systeme ziemlich einfach sein. Gewisse Situationen können beide Eigenschaften erweisen.


Konkret…


Zum Beispiel: ein Motor ist kompliziert, und nicht komplex. Auch wenn ich keine Begabung für die Mechanik habe, kann ich, mit viel Zeit und Geduld, den Motor zerlegen und wieder zusammenbauen damit er wieder funktioniert. Das Verhalten des Systems ist ziemlich eindeutig voraussehbar: wenn ich den Knopf drücke, soll der Motor laufen. 


Das Aquarium hingegen ist ziemlich einfach: Glas-Kies-Wasser-Pflanzen-Fisch und ab und zu etwas Futter. Einfach aber komplex: wenn ich all die Elemente schön nebeneinander auf meinem Pult aufstelle, werde ich kaum verstehen, wie das Ganze funktioniert. Schlimmer noch: ich werde das System zerstören; es wird nicht mehr möglich sein, das System in den Ausgangszustand zurückzubringen. Und es ist nicht so voraussehbar: wie wird sich der Fisch verhalten, wenn ich an das Glas klopfe? Ein Aquarium ist komplex – biologisch – natürlich – lebendig.

Ein Missverständnis führt zu Denkfehler

Der Begriff „komplex“, unreflektiert, wird als „etwas mehr als sehr kompliziert“ wahrgenommen und verstanden. So ist es nicht. Komplex ist komplex, und nicht ein bisschen anders als kompliziert. Komplexe Projekte sind schwierige Projekte – sie sind aber nicht komplex, weil sie schwierig sind, sondern umgekehrt. Die echte Natur der Projekte nicht richtig zu erkennen heisst einfach, von Anfang an einen groben Denkfehler zu machen. Und dieser Fehler induziert falsche – im Sinne von ungeeignete – mentale Muster und Einstellungen gegenüber dem Projekt. Daraus ergibt sich die Anwendung von ungeeigneten Methoden, Instrumente und Ansätze des Projektmanagements. Man kann ahnen wohin dies führen kann.

Nichtwissen und Unsicherheit als konstitutive Bestandteile

Vielleicht ist es ein Zeichen der (unbewussten) Überforderung, den Begriff „Komplexität“ nicht richtig zu verstehen – oder verstehen zu wollen. Edgar Morin hat es wie folgt ausgedrückt:

„Die eigentliche Idee der Komplexität beinhaltet in sich die Unmöglichkeit zu vereinheitlichen, die Unmöglichkeit zu einem Abschluss zu kommen, eine Teilunsicherheit, eine Teilunentscheidbarkeit und das Eigenständnis des abschliessenden Tête-à-Tête mit dem Unsagbaren“ (Übersetzung des Redaktors)
« L’idée même de complexité comporte en elle l’impossibilité d’unifier, l’impossibilité d’achèvement, une part d’incertitude, une part d’indécidabilité et la reconnaissance du tête-à-tête final avec l’indicible ».

 

Unbequem für unsere rationelle Denklogik, nicht? Von Anfang an zugeben, dass wir es nicht ganz im Griff haben – und nie haben werden…

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